Donnerstag, 2. Oktober 2014
11_Shanghai 17.09.-30.09.2014
Wie gesagt: es wird nicht langweilig hier, man muss nur die Augen offen halten - Und das wird mit der Zeit wirklich schwierig, man gewöhnt sich zu schnell an alles; an Menschen, die mitten in ihren Geschäften schlafen oder ihr Mittagessen verzehren; an Omas, die im Park nach „Happy Birthday“ tanzen; an Menschen, die beim Vokabeln lernen in der Bahn näher an den Karteikarten sind als man selber;..

Immer wieder gibt es aber auch diese Momente, in denen ich hundert Meter weiter gehe und mich frage: „Habe ich das gerade wirklich gesehen und bin einfach so daran vorbei gegangen?“ Würden sich die gleichen Situationen in Deutschland abspielen, wären das wohl größere Attraktionen! Wie z.B. ein Mann, der mit seinem Pudel Hand in Hand durch Shanghai schlenderte oder folgende Brautkleider, die einfach so auf dem Gehweg einer vielbefahrenen Straße hingen:


Brautkleider an der Straße

Ansonsten könnte es mir hier eigentlich besser nicht gehen! Jeden Tag lerne ich hier neue, nette Auslandsstudenten kennen, von denen mir sehr viele sehr ähnlich sind. Alle sind super offen - sowohl anderen Menschen als auch Kulturen gegenüber. Das ist aber wahrscheinlich auch nötig, wenn man sich für ein Auslandssemester in China entscheidet. Den meisten gefällt es in Shanghai richtig gut, einigen fällt das Leben hier jedoch auch schwer, wie z.B. zwei meiner Kommilitoninnen. Sie fühlen sich häufig von den Chinesen bedrängt, haben Angst vor Viren und Krankheiten, mögen das chinesische Essen nicht anrühren,… Sie ernähren sich nun seit einem Monat fast ausschließlich von Keksen und gehen mehr oder weniger am liebsten nur zur Uni raus – so kann ein Auslandssemester natürlich laaaaaaaaaaaaaaaaaang werden.

Zum Glück geht es mir, was das betrifft, um einiges besser! Ich habe inzwischen auch schon zwei chinesische Language-Partnerinnen gefunden und treffe mich wöchentlich mit ihnen.

Die eine Language-Partnerin ist etwa mein Alter, studiert an der Fudan Linguistik und unterrichtet auch Chinesisch für Ausländer. Das ist natürlich perfekt! Sie ist sehr geduldig mit mir und meinem Chinesisch. Wenn ich etwas nicht verstehe, dann wiederholt sie den Satz noch einmal und spricht langsamer und deutlicher oder versucht das Gesagte zu umschreiben. Wenn sie mir neue Wörter beibringt, wiederholt sie diese so lange mit mir bis ich sie richtig ausspreche und sie weiß mich auch in den richtigen Situationen zu verbessern. Zudem ist ihr Englisch, für den Fall, dass ich ein chinesisches Wort nicht kenne, richtig gut! Im Gegenzug soll ich ihr innerhalb der nächsten Monate Deutsch beibringen, damit sie nächstes Semester, während ihres Auslandssemesters in Leipzig, nicht komplett hilflos ist. Am wichtigsten bei unserem ersten Treffen war ihr ein deutscher Name, der an ihren chinesischen angelehnt ist. Also heißt sie jetzt Luise :D

Die andere Language-Partnerin ist auch super nett! Sie scheint einer der Chinesinnen zu sein, die es nicht scheut Themen anzusprechen, über die der Chinese eigentlich nicht spricht, weil er viele davon eigentlich nicht wissen oder infrage stellen sollte. Darüber werde ich dann jedoch wohl eher berichten, wenn ich wieder zuhause bin. Ich habe mich die letzten Tage mal im Internet umgeschaut und die Zensur hier im Netz besteht nun einmal. Manchmal hat man Glück und es passiert nichts, manchmal scheint man jedoch auch durch einige Stichworte ungewollt in einen Filter zu rutschen… Gerade in dieser Woche scheint es durch die Vorfälle im Städtchen H… verschärft worden zu sein und ich würde einfach gerne sicherstellen, dass ich auch in Zukunft ungehindert auf diese Seite zugreifen kann ;-) seit vorgestern ist zum Entsetzen vieler Kommilitonen von mir nun auch Inst... gesperrt worden und die genannten Begriffe sind zusammen mit weiteren nicht mehr in Suchmaschinen zu finden. Hach, ist es so doch kompliziert zu schreiben. Wer sich dafür näher interessiert: Zumindest bei Focus Online konnte ich einiges zu dem Thema lesen.

Kommen wir am besten wieder zurück zum Thema Uni. Mein Kurs an der Fudan besteht aus 22 internationalen Studenten aus den Ländern Russland, Korea, Japan, den Philippinen, Indien, den USA, Ecuador, Deutschland, Großbritannien und Bulgarien.

Die Themen, die wir während unseres Unterrichts behandeln, sind häufig Themen, die für die Europäer und Amerikaner unter uns vergleichsweise merkwürdig sind. Beispielsweise Farben; sie haben in Ostasien große Bedeutung. Lieblingsfarbe der Chinesen ist natürlich Rot, die der Japaner und Koreaner Weiß. Auf die Frage hin, wie es denn bei uns in Deutschland sei, habe ich gesagt, dass meine Lieblingsfarbe z.B. Hellgrün sei, die anderen Deutschen jedoch andere Lieblingsfarben hätten. Das konnten sie nicht richtig begreifen, also fragte der Lehrer mich noch einmal: „Ja, du bist dann eine Ausnahme mit Hellgrün, aber was ist denn grundsätzlich die Lieblingsfarbe der Deutschen?“ Mit Hilfe des Amis, des Engländers und den anderen Deutschen haben wir dann etwas begreiflicher machen können, dass es in unseren Ländern nicht so etwas wie EINE Lieblingsfarbe gibt.

Ein anderes Thema waren Blinddates. Wir wurden gefragt, ob wir uns freuen würden, wenn unsere Eltern unser Date aussuchen würden und ob wir denn dann auch hingehen würden. (In China ist es Gang und Gäbe, dass Eltern die Freunde ihrer Kinder aussuchen, wenn diese u.a. keinen Partner finden können) Wir haben daraufhin gesagt, dass wir nicht gehen würden, weil es für uns merkwürdig sei, dass jedoch unsere Eltern in der Regel auch nicht auf die Idee kommen würden uns ein Date zu organisieren. Vor allem unser Lehrer schien bei dieser Antwort wieder leicht erstaunt und fragte: „Ja, aber kümmern sich denn eure Eltern gar nicht um euch?“

Unter uns Auslandsstudenten gibt es auch vier Nordkoreaner! Eine Hamburger Kommilitonin von mir ist mit ihnen in einem Kurs. Sie schotten sich meistens von allen ab, fragen im Laufe des Unterrichts jedoch gerne, wie denn der Rest der Kommilitonen ihren großartigen Führer fände. In der letzten Stunde haben sie meiner Kommilitonin zudem erzählt, dass sie die DDR ganz toll fänden. Sie musste ihnen dann erklären, dass es die DDR jedoch nun bereits seit Längerem nicht mehr gibt. Wir haben zunächst kurz über die Geschichte gelacht, aber es hat nicht lange gedauert bis es uns betroffen gemacht hat. Es wird immer wieder berichtet, dass die Nordkoreaner sehr wenige Informationen nur erreichen, wenn man das ganze jedoch so „live“ miterlebt, schockiert einen das noch ein wenig mehr...

Seit heute sind nun „National Holidays“ in China, die finden jedes Jahr vom 1.10.-7.10. statt. In dieser Zeit hat im Prinzip jeder Chinese frei. Für Shanghai bedeutet das: Menschenmassen ohne Ende. Es ist wirklich verrückt. Außerdem hängen in der Zeit überall noch mehr chinesische Flaggen und alle Gärten sind umfangreich aufgearbeitet. Für mich bedeutet das: meine einzigen Ferien in diesem ganzen Semester. Ja, auch Weihnachten müssen wir alle 3 Tage zur Uni. Und weil wir in dieser Zeit fünf Wochentage verpassen, durften wir einen Tag letzten Sonntag und einen Tag übernächsten Samstag nachholen. Hurra :)))))


Vorgeschmack auf die Menschenmassen diese Woche..

Zum Abschluss gibt es nun erneut ein paar Essens-Fotos:


Baozi 包子 - Streetfood, umgerechnet etwa 15ct


Baozi-Füllung


"Chinesische Nudeln", die waren richtig lecker, umgerechnet etwa 2€

Die folgenden vier Gerichte gehören zusammen:


Pikante, scharfe Pfannkuchen(?)


Pak Choi


Pilze mit Bambus


Hühnchenfleisch

Ich habe der einen Language Partnerin erzählt, dass ich sehr gerne Chinesisch esse und nun immer Fotos der Speisen auf meinen Blog lade. Seitdem sie das weiß, sucht sie nun immer vor unseren Treffen Restaurants mit sehr gutem Essen heraus! Sie freut sich immer total, wenn ich die Speisen noch nicht kenne, sie mir aber sehr gut gefallen! :)


Grüner Tee - Küchlein (l绿茶饼 lüchabing)
Gehört definitiv zu meinen Lieblings-Speisen!! :)


Hühnchenfleisch in süßer Soße (三杯鸡 sanbeiji)


Red Cooked Meat - Pork (红烧肉 hongshaorou) Ich habe in meinem Leben noch nie SO weiches Schweinefleisch gegessen!!!


Gemüse mit Knoblauch (蒜蓉娃娃菜 suanrongwawacai)


Frittierte Bratkartoffeln (想吃土豆 xiangchitudou)

Dazu gab es wie immer Reis und Tee! Unglaublich lecker!

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